24-Stunden-Lagerung: Es kommt darauf an

Lageranforderungen für Gefahrstoffe und Beförderungsvorschriften des Gefahrgutrechts haben unterschiedliche Schutzziele im Visier. Für einen reibungslosen Übergang werden in Lagern Bereitstellungsflächen definiert.
©Foto: vectorwin | adobe stockDie Frage, ab wann Gefahrgüter als Gefahrstoffe gelagert und nicht lediglich bereitgestellt oder umgeschlagen werden, ist ein klassisches Thema in der Beratungspraxis – und häufig wird darauf geantwortet: „Nach 24 Stunden!“ Aber stimmt diese Aussage immer?
Im Februar 2024 befasste sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit genau dieser Problematik, allerdings im Zusammenhang mit der europäischen Verordnung über tierische Nebenprodukte1. Auch wenn die Entscheidung nicht direkt auf Gefahrgüter abzielt, bietet sie Anknüpfungspunkte für die Abgrenzung von Lagerung und Umschlag.
Zur Beförderung bereitstellen
Die sogenannte „24-Stunden-Regelung“2 aus § 3 Abs. 6 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV)3 legt fest, dass das Lagern von Gefahrstoffen als „das Aufbewahren zur späteren Verwendung oder Abgabe“ definiert wird. Gleichzeitig wird die Bereitstellung zur Beförderung mit einbezogen, sofern der Transport nicht innerhalb von 24 Stunden oder am nächsten Werktag erfolgt. Die griffigen „24 Stunden“ können damit durch Feiertage oder Wochenenden – wie etwa an Ostern – erheblich verlängert werden und annähernd sechs Tage dauern.
Wichtig ist, dass sich diese Regelung ausschließlich auf die Bereitstellung von Gefahrstoffen zur Beförderung bezieht und nicht auf alle gefährlichen Güter. Die Unterscheidung zwischen Gefahrstoff und Gefahrgut ist hierbei essenziell. Während viele Gefahrstoffe, sobald sie für den Transport vorbereitet werden, als Gefahrgut klassifiziert werden, gibt es keine direkte 1:1-Entsprechung zwischen diesen beiden Begriffen4. Es kann also Gefahrguttransporte geben, die keine Gefahrstoffe beinhalten, und umgekehrt5.
Um die Schnittstelle zwischen den Lageranforderungen für Gefahrstoffe und den Beförderungsvorschriften des Gefahrgutrechts zu harmonisieren, werden in Lagern Bereitstellungsflächen definiert. Hier können Versandstücke unter anderem ohne Beachtung der strengen Zusammenlagerungsvorschriften, wie sie in der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 510 vorgeschrieben sind, bis zur Übergabe an den Transporteur abgestellt werden. Die 24-Stunden-Regelung soll sicherstellen, dass dieser Übergang zeitlich begrenzt und organisatorisch kontrollierbar ist. Es wird davon ausgegangen, dass ein Lager so organisiert werden kann, dass die Versandstücke innerhalb von 24 Stunden an den Beförderer übergeben werden.
Allerdings wird diese Regelung oft überstrapaziert, insbesondere wenn sie auf das Gefahrgutrecht ausgeweitet wird, um den Begriff des „zeitweiligen Aufenthalts“ während der Beförderung zu begrenzen. Laut § 2 Abs. 2
Satz 2 des Gefahrgutbeförderungsgesetzes (GGBefG)6 endet der Transport nicht automatisch, wenn Gefahrgut aus transportbedingten Gründen, etwa beim Wechsel des Beförderungsmittels, für eine gewisse Zeit abgestellt wird – und das selbst dann, wenn diese Zwischenlagerung mehrere Tage dauert. Diese bewusste Formulierung stellt klar, dass die Beförderung unter bestimmten Umständen auch über längere Zeiträume unterbrochen werden darf, ohne dass die rechtlichen Verpflichtungen aus dem Transportprozess enden.
Der Hintergrund
Mit der Einführung der Definition des „zeitweiligen Aufenthalts“ im Jahr 1998 reagierte der Gesetzgeber auf die praktische Realität: Ein nahtloser Wechsel (Direktumschlag) von Gefahrgütern während des Transports ist zwar aus Sicherheits- und wirtschaftlichen Gründen wünschenswert, jedoch nicht immer organisatorisch möglich7. Um diese Herausforderung zu bewältigen, wurde der Begriff des zeitlich unbefristeten Aufenthalts als Teil des Beförderungsvorgangs eingeführt. Dadurch sollten internationale Sicherheitsvorschriften lückenlos entlang der gesamten Transportkette gelten und so die Beförderungsabwicklung erleichtert werden.
Hinter dieser Regelung steht ein bewusst gewollter Konflikt, der bereits seit den 1970er Jahren besteht: Der Gesetzgeber hat sich schon im Gesetzgebungsverfahren 1974 dagegen entschieden, dem Gefahrgutrecht einen Vorrang gegenüber anderen Rechtsgebieten zu geben8. Diese Entscheidung wurde 19989 bestätigt und 2009 in die aktuelle Gesetzesfassung übernommen. Auf deutschem Boden gelten demnach neben dem Gefahrgutrecht auch alle anderen relevanten Vorschriften, „die aus anderen Gründen als der Sicherheit im Zusammenhang mit der Beförderung erlassen wurden“ (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 GGBefG). Der Gesetzgeber wollte, dass in den Fällen, in denen sowohl die Definition der Lagerung als auch des zeitweiligen Aufenthaltes erfüllt sind, alle einschlägigen Regelungen anzuwenden sind (sogenannte Unberührtheitsklausel)10. Das bedeutet im Ergebnis, dass ein zeitweiliges Abstellen zugleich ein gefahrstoffrechtliches Lagern darstellen kann.
Dies erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich, ergibt aber Sinn, wenn man bedenkt, dass unterschiedliche Rechtsgebiete wie das Arbeitsschutz- oder Immissionsschutzrecht andere Schutzzwecke verfolgen als das Gefahrgutrecht. Während das Gefahrgutrecht primär den sicheren Transport im Fokus hat, zielen andere Rechtsbereiche auf den Schutz von Mensch und Umwelt in spezifischen Situationen ab. Deshalb soll in Fällen, in denen das Gefahrgutrecht Risiken nicht vollständig erfasst, andere Vorschriften parallel angewendet werden, um einen umfassenden Schutz sicherzustellen. Und hier ist ein Blick in die Entscheidung des EuGH von Bedeutung.

Für die Frage, ob ein Verarbeitungsbetrieb für tierische Nebenprodukte zulassungspflichtige Produkte gelagert oder nur bereitgestellt hatte, wurde unter anderem das Gefahrstoffrecht herangezogen.
©Foto: Tobias Kleinschmidt | picture-allianceEin Fall fürs Gericht
Der Ausgangsfall drehte sich um eine Untersagungsverfügung des örtlichen Veterinäramtes gegen den Betreiber eines Verarbeitungsbetriebes für tierische Nebenprodukte. Anlass der Verfügung war eine Kontrolle, bei der den Mitarbeitenden des Veterinäramtes unhygienische Zustände in der Halle des Betreibers, der später als Kläger auftrat, auffielen. Neben Lebendfallen und Ratten- sowie Mäusekot stand ein Kühllastkraftwagen11 in der Halle, aus dem starker Verwesungsgeruch strömte. Die Quelle dieses Gestanks waren ungekühlte Kisten mit Schlachtabfällen und Fleischresten („Kategorie-3-Material“). Zudem wurde in der Halle kein Wasser- oder Abwasseranschluss festgestellt, sodass sich Flüssigkeiten, die aus mit Maden befallenen Transportbehältern austraten, auf dem Boden sammelten.
Das Veterinäramt untersagte daraufhin dem Betreiber, „Kategorie-3-Material“ in der Halle zu lagern, da eine solche Lagerung gemäß dem Tierische Nebenprodukte Beseitigungsgesetz (TierNebG)12 nur mit entsprechender behördlicher Zulassung erlaubt sei – eine Zulassung, die der Betreiber nicht vorweisen konnte. Der Betreiber widersprach jedoch, mit dem Argument, dass es sich bei dem Abstellen des Kühllastkraftwagens nicht um eine Lagerung, sondern um einen zeitweiligen Aufenthalt im Verlauf der Beförderung handle, der keine Zulassung erfordere. Er betonte, dass das Material nicht umgeladen, sondern lediglich die Transportbehälter von Fahrzeug zu Fahrzeug gewechselt würden, bevor der Kühllastkraftwagen zur Verarbeitungsanlage weiterführe. Daher sei von einem durchgängigen Beförderungsvorgang auszugehen.
In der ersten Instanz konnte sich der Betreiber mit dieser Argumentation durchsetzen. Das Verwaltungsgericht (VG) Magdeburg gab ihm Recht und diskutierte, ob die 24-Stunden-Regelung der Gefahrstoffverordnung, die eine klare Abgrenzung zwischen Lagerung und Beförderung regele, auf diesen Fall anwendbar sei – obwohl es sich bei „Kategorie-3-Material“ weder um Gefahrstoffe noch um gefährliche Güter handelte.13 Das VG Magdeburg verwies dabei auf eine frühere Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster14, die klarstellte, dass die 24-Stunden-Regelung im Transportrecht nur eingeschränkt anwendbar sei:
„Soweit der Verordnungs- oder Gesetzgeber sich zum Verständnis des Begriffs der zeitlichen Transportunterbrechung geäußert hat, ist zwar klargestellt worden, dass es eine zeitliche Grenze geben muss, gleichzeitig aber eine verbindliche Festlegung gerade vermieden wird. Die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls trägt der Vielgestaltigkeit denkbarer Transportkonstellationen, Örtlichkeiten und möglichen Gründe für Verzögerungen bei der (Weiter-)Beförderung Rechnung. Führte jede Überschreitung der ‚24-Stunden-Regel‘ dazu, dass eine transportbedingte Zwischenlagerung ausschiede, könnte in Anlagen mit einer Vielzahl von Beförderungsfällen die Regel praktisch nicht eingehalten werden, denn Verzögerungen im Verlauf der Beförderung lassen sich nicht verlässlich ausschließen.“
Die Entscheidung
Der VGH Magdeburg15 als zweite Instanz war sich unschlüssig, wie der Begriff „Lagerung“ im Sinne des TierNebG und der dahinterstehenden Europäischen Verordnung auszulegen sei und legte den Sachverhalt dem EuGH vor. Konkret wollte der VGH Magdeburg wissen, ob der „Begriff der „Lagerung“ (im Sinne der europäischen Verordnung über tierische Nebenprodukte) eine Unterbrechung eines Transportvorgangs erfasst, bei dem Behälter mit tierischen Nebenprodukten der Kategorie 3 in ein anderes Transportfahrzeug umgeladen und darin vor dem Weitertransport zu einer Verarbeitungsanlage für mehrere Stunden abgestellt werden, ohne dass das Material behandelt oder in andere Behälter umgefüllt wird.“
Der EuGH16 entschied, dass die zeitliche Dauer der Unterbrechung – seien es acht oder 24 Stunden – nicht der entscheidende Faktor sei. Stattdessen stellte er darauf ab, warum der Gesetzgeber die Lagerung von „Kategorie-3-Material“ einer Zulassungspflicht unterstellt hat und ob dieses Erfordernis durch das Einhalten der Transportvorgaben aufgehoben werde. Das Gericht führte aus, dass das Hauptziel der Verordnung darin bestehe, während der gesamten Dauer des Umgangs mit solchen Materialien potenzielle Gefahren für die Gesundheit von Menschen und Tieren unter Kontrolle zu halten.
Im vorliegenden Fall unterbrach der Betreiber den Transportvorgang nicht aus unvorhersehbaren oder gesetzlich vorgegebenen Gründen, wie etwa Ruhezeiten des Fahrers, sondern nutzte die Halle regelmäßig und planmäßig als Zwischenstation. Zudem führte er keine Verfahren ein, die eine Kontamination des Materials verhindern oder die Reinigung der Halle sicherstellen würden. Daher entschied der EuGH, dass auch das bloße Abstellen der Behälter einer Kontrolle unterworfen sein müsse und als zulassungspflichtige Lagerung zu bewerten sei. Damit gab der EuGH dem untersagenden Veterinäramt recht.
Bewertung
Tierische Nebenprodukte der Kategorie 3 werden zwar nicht als Gefahrgut eingestuft, sondern unterliegen veterinär- oder abfallrechtlichen Vorschriften für Transport und Kennzeichnung. Auf den ersten Blick könnte man daher annehmen, dass das Gefahrgutrecht keine Rolle spielt. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) wird jedoch bedeutsam, weil sie die Abgrenzung zwischen Lagerung und Beförderung an den Schutzzweck ausrichtet und somit auch für andere Rechtsbereiche relevant ist.
Das Verwaltungsgericht (VG) Magdeburg hatte in seiner Prüfung vorab verschiedene nationale Regelungen zur Lagerung herangezogen, darunter die 24-Stunden-Regelung des Gefahrstoffrechts, die Abgrenzung zwischen Umschlag, Zwischenlagerung und Lagerung von Abfällen gemäß der 4. Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV) sowie die Lagerung im Sinne des Wasserrechts. Ein entscheidender Punkt war hier die Definition von „Lagerung“ in verschiedenen Rechtskontexten: So gilt beispielsweise ein Zwischenlager für Abfälle genehmigungsrechtlich erst dann als Lager, wenn Abfälle länger als ein Jahr gelagert werden.17 Bei wassergefährdenden Stoffen hingegen greift die Definition der Lagerung bereits ab der ersten Sekunde, wenn die Fläche regelmäßig zum Abstellen dieser Stoffe genutzt wird.18
Diese unterschiedlichen Definitionen verdeutlichen, dass die eigentliche Frage nicht allein darauf abzielt, wie lange Gefahrgüter abgestellt werden, sondern vielmehr, welche Risiken von diesen Gütern ausgehen. Der EuGH orientierte sich hier klar am Schutzzweck der jeweiligen Regelungen. Das bedeutet: Wenn Gefahrgüter zwischenzeitlich abgestellt werden, ist nicht primär relevant, ob die Beförderung innerhalb von 24 Stunden wieder aufgenommen wird. Vielmehr muss geprüft werden, welche Gefahren von den Gefahrgütern ausgehen und ob diese Gefahren für andere Schutzgüter, wie zum Beispiel Umwelt, Gesundheit oder öffentliche Sicherheit, durch entsprechende Gesetze geregelt sind19.
Damit schließt sich der Kreis zur Ausgangsfrage: Die Abgrenzung zwischen Lagerung und Beförderung ist nicht nur eine Frage der Zeitspanne, sondern vor allem eine Frage der Gefahrenbewertung und der Anwendbarkeit relevanter Schutzvorschriften.
Fazit
Die Frage, ab wann das Abstellen von Gefahrgütern als Lagerung von Gefahrstoffen gewertet wird, lässt sich nicht pauschal beantworten. Häufig lautet die Antwort: „Es kommt darauf an.“ Solange das Abstellen – trotz zeitlicher oder räumlicher Unterbrechung – dem Umschlag der Güter von einem Verkehrsmittel auf ein anderes dient20, kann man grundsätzlich von einem fortlaufenden Beförderungsvorgang ausgehen. Doch das bedeutet nicht, dass dieser Vorgang frei von zusätzlichen Regelungen ist.
Wenn beispielsweise der Umschlag in der Nähe eines Wasserschutzgebietes stattfindet, können andere Rechtsvorschriften ins Spiel kommen wie das Wasserrecht. Der Besorgnisgrundsatz des Wasserrechts, der parallel zum Gefahrgutrecht gilt, erlaubt es Behörden, auch ein geringes Risiko zu vermeiden, wenn dadurch eine Gefährdung des Wasserschutzgebiets verhindert werden kann. In einem solchen Fall darf die Behörde zu Recht einschreiten, ohne dabei den Begriff der Anlage oder der Lagerung übermäßig auszudehnen.
Es zeigt sich also, dass es nicht nur auf die Frage ankommt, ob das Abstellen von Gefahrgütern im Rahmen der Beförderung geschieht, sondern auch darauf, welche zusätzlichen Risiken – etwa für die Umwelt oder die Gesundheit – bestehen. Diese müssen entsprechend der relevanten Schutzvorschriften, wie dem Wasserrecht, bewertet und gegebenenfalls reguliert werden.
Sylvia Häfeli
UMCO GmbH, Hamburg
Fundstellen 1 Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte (Verordnung über tierische Nebenprodukte) vom 21. Oktober 2009. |
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